Samstag, 4. Juli 2020

4. Juli 2020 - Bienchens Geschichte - 22. Teil



Helmut rechnet aus ...

Natürlich war Helmut und mir sofort klar, dass das mit der sechsstelligen Zahl längst nicht mehr der wirklichen Konto-Füllung entsprach. Denn die größte Unbekannte konnte in dieser Summe nicht mitberechnet werden,

aber egal. Geld war (und ist) mir nicht so wichtig wie die letztendliche Versöhnung mit meiner Mutter es geweseb war. Und wenn es ihr in den letzten eineinhalb Lebensjahrzehnten dadurch besser gegangen war, ihr Geld mit warmen Händen zu verschleudern,

so konnte ich das akzeptieren. Weniger akzeptieren konnte ich, dass es jemand auch angenommen hatte.

Aber das war keine Straftat, wenn auch moralisch bedenklich. Ich hoffte, dass er damit glücklich geworden war ...

aber so ganz ungeschoren vom Schicksal kam Paul nicht davon. Und dann zeigte sich noch einmal in sehr deutlicher Form, wie er tickte.

Unterdessen hatte ich viel Freude an Bienchen, die immer selbstsicherer wurde und von Robin jede Menge lernte. Und sie begann, mich nicht nur wahrzunehmen,

sondern in ihr Herz zu schließen.

Heute sind wir ein Herz und eine Seele.


Zwei Todesfälle

Im August 2011 starben innerhalb von zwei Tagen zwei Menschen, die ich kannte: Der eine war der Ehemann einer guten Bekannten. Er war um einiges älter als sie, aber dennoch zu jung, und hatte ein paar Jahre gegen den Krebs angekämpft. Diesen Kampf verlor er. Das war abzusehen gewesen, und ich stand ihr in dieser schweren Zeit mental so gut ich konnte zur Seite. Manchmal war sie untröstlich.

Sie ist irgendwann wieder glücklich geworden, soviel dazu. Aber kurz nach der Beerdigung ihres Mannes konnte ich sie durch etwas anderes herzlich aufmuntern. Obwohl diese Aufmunterung eher skurril und makaber war, aber schließlich ging sie nicht von mir, sondern von Paul aus:

Auf jeden Fall hat sie sich herrlich darüber amüsiert, aber gleichzeitig konnten wir uns beide nur an den Kopf fassen und fragen: Wie ist so etwas nur möglich? Was geht in solch einem Kopf vor?

Aus irgendeinem Grund, den ich gar nicht mehr weiß, rief ich in jenem August bei Paul an. Ich konnte ja nicht ahnen, dass mein Anruf genau an dem Tag kam, der nicht unpassender für irgendetwas Banales sein konnte. Denn es muss ein banaler Grund gewesen sein, warum ich ihn anrief. Aber so sehr ich auch nachdenke, ich bekomme den Grund nicht mehr in meiner Erinnerung zu packen.

Eigentlich wollte ich doch mit ihm nichts mehr zu tun haben. Das ist auch inzwischen schon seit 2011 so, aber damals in 2011 tätigte ich eben diesen Anruf:

Ich hörte Stimmen im Hintergrund. Sofort wollte ich mich verabschieden, um evtl. an einem anderen Tag wieder anzurufen,

aber Paul hielt mich davon ab. Er erklärte mir auch den Grund für die Stimmen im Hintergrund:

Seine Lebensgefährtin war ebenfalls an Krebs gestorben, und die Stimmen gehörten den Trauergästen. Es war der Tag ihrer Beerdigung. Die Trauergäste waren eben im Aufbruch begriffen, und er legte den Hörer für höchstens zwei Minuten an die Seite und bat mich, zu warten.

Mir war das sehr unangenehm. Ich wusste zwar, dass sie vor einem Jahr schon einmal an Krebs erkrankt, aber scheinbar wieder genesen war, aber von einem Rezidiv und ihrem Tod wusste ich nichts.

Mein Anliegen vergaß ich in diesem Moment, weil es mir zu unwichtig erschien. Ich kondolierte.

Ich kann sagen, dass ich keine Probleme damit habe, jemandem zuzuhören, der in Trauer ist. Es ist zwar nicht meine leichteste Übung, aber ich kann gut damit umgehen - und vielleicht sogar die richtigen Worte finden.

Ein seltsames Anliegen

Doch diesmal blieben mir schnell die richtigen Worte im Halse stecken ... nachdem er über das Sterben seiner Lebensgefährtin erzählt hatte, berichtete ich ihm von dem Sterben des Ehemannes einer guten Bekannten. Er war nur zwei Tage vor seiner Lebensgefährtin verstorben.

Paul wollte mehr darüber erfahren. Und ich dachte: Das ist ihm vielleicht ein kleiner Trost in seinem großen Kummer.

Aber er hatte da eine völlig andere Idee ... eine völlig andere. Darauf wäre ich im Leben nicht gekommen.


Fortsetzung folgt
Copyright Silvia Gehrmann



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