Samstag, 11. Juli 2020

11. Juli 2020 - Bienchens Geschichte - 24. Teil

Fazit

Meine Mutter wäre sehr glücklich, könnte sie sehen, wie gut ihr Bienchen sich in ihr neues Leben integriert hat - und zu meinem Bienchen geworden ist.

Auch hätte meine Mutter sich gefreut, wie souverän ich damals nach ihrem Tod mit den Gegebenheiten umgegangen bin - entgegen meinem manchmal doch leicht aufbrausenden Naturell habe ich mich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Gelassen und abgeklärt habe ich alles hinter mir gelassen.

Obwohl ich denke, dass Paul einen nicht geringen Anteil daran hatte, dass meine Mutter über so viele Jahre den Kontakt zu mir abgebrochen hatte (auch zu Verwandten), ohne dass irgendetwas Gravierendes vorgefallen war. Schließlich dachte sie, sie sei alt und auf jemanden angewiesen ... der es jedoch, entgegen ihrer Annahme,  scheinbar nicht nur gut mit ihr meinte - der aber im selben Haus lebte, und den sie vermutlich als eine Art Ersatz-Sohn angesehen hat.  Immer greifbar schien er für sie zu sein -

aber das galt auch umgekehrt. Sie war für ihn ebenso greifbar. Und manipulierbar. Ihre niemals geendete Trauer um meinen Bruder Heinz und schließlich der Tod meines Vaters hatte sie empfänglich für Manipulationen gemacht. So musste sie nicht mehr selber denken und entscheiden, sondern konnte sich fallen lassen. Dass sie in genau die falschen Hände gefallen ist ...

lässt sich im Nachhinein nicht mehr ändern.

Bei all dem war sie Herrin ihrer Sinne, wovon ich mich am Ende ihres Lebens selbst überzeugen konnte. So hat sie auch lieber mir

ihr geliebtes Bienchen

anvertraut als Paul.

Doch selbst in diesem Punkt hatte er noch versucht, meine Mutter davon abzubringen, mir Bienchen mitzugeben. Das hat sie mir selber erzählt - und sie war in den Tagen, in denen ich in Zell war, drauf und dran, Pauls Begehren nachzugeben.

Jedoch blieb ich in diesem Punkt hartnäckig. Ich wusste, dass Bienchen es bei Paul nicht gut haben würde und er sie sowieso weiterreichen würde, als wäre sie ein Wanderpokal.

Noch auf dem Bahnsteig, kurz vor der Rückfahrt ins Ruhrgebiet, versuchte Paul mir auszureden, Bienchen mitzunehmen. Es tat ihm weh, alle Macht aus den Händen geben zu müssen ...

Aber wenn ich mich irgendwann einmal festkralle, dann kommt mir so schnell niemand in die Quere. Und ich hatte die Rückendeckung meiner Mutter.

Ich war jünger und fitter als meine Mutter und gegen Manipulationen bin ich völlig immun. Ich glaube nicht an gute Worte, sondern nur an gute Taten. Worte sind schließlich kostenlos, Taten erfordern den wirklichen Einsatz.

Ein kleines Quentchen Bosheit habe ich ihm am Ende dann trotzdem noch gegeben: Er war von der Beisetzung meiner Mutter ausgeschlossen.


Ein letzter Gedanke

... den ich beim endlich stattgefundenen Wiedersehen hatte, möchte ich meinen Lesern nicht vorenthalten. Stets hatte ich vergeblich nach einer äußeren Ähnlichkeit zwischen meiner Mutter und mir gesucht. An einem ihrer letzten Tage habe ich diese Ähnlichkeit gefunden:

Es war nicht ihre niedliche Nase, die ich nicht geerbt hatte. Die hatte ich aus der Schäfer-Familie, nicht aus der der Gehrmanns.

Es waren ihre Augen, in denen ich wie in einen Spiegel geguckt habe, und die meinen Augen so ähnlich waren. Sie waren noch wach und riesengroß, als ich meine Mama endlich wiedersah, und ich fragte mich:

Warum hast du das nie vorher bemerkt?

Etwas anderes hatten wir abseits vom Aussehen auch gemein: Sie schrieb gerne, ich mache das auch. Sie hat das irgendwann aufgegeben, ich habe irgendwann damit angefangen,

es öffentlich zu zelebrieren. Geschrieben habe ich jedoch, seitdem ich Buchstaben aneinander fügen kann.

Leider hat Mama das nicht mehr getan, nachdem sie 2 Kinder, einen Haushalt und dann auch noch eine Berufstätigkeit hatte. Zumindest habe ich in ihrem Nachlass

nur ihre Gedichte aus den Zeiten gefunden, bevor es meinen Bruder und mich in ihrem Leben gab.



Mit Bienchen durch die Jahre

Bienchen wurde immer freier, auch frecher,  und lebte endlich hundgerecht. Meine Mutter hatte ihr das nicht mehr vollumfänglich bieten können. Natürlich ist Bienchen als Malteserin kein Raufbold wie es Robin zum Teil war. Aber sie guckte sich viel von ihm ab, und so kommt es bis heute vor, dass sie andere Hunde ungefragt in die Schranken weist - auch, wenn diese die gar nicht überschreiten wollten.

Sie pinkelt auch meistens wie ein Rüde, nicht in einem großen Bach ... sondern Strahl für Strahl an jedem Grashalm, immer das Beinchen in die Luft hebend.

Meine Freundin Silke meint, ich soll unbedingt erwähnen, wie lustig Bienchen oft ist. Es ist beinahe so, als hätte sie eine Hunde-Art von Humor. Nur Sprechen, sprechen hat sie noch nicht gelernt ... aber ich verstehe sie auch ohne Sprache.





Und eine Weile und aus gutem Grund schon kurz vor Robins Tod übernahm sie die vermutlich sehr wichtige Aufgabe, mich im Aufzug (unseres Hauses)  zu umrunden. Dieses war zuvor Robins Domäne gewesen, und er hatte es mit Begeisterung vollzogen - so wie es Bienchen ihm nun gleich tat und tut. Bis er blind wurde, hat sie diesen Job ihm allein überlassen - was mich vermuten lässt, dass sie gemerkt hat, dass Robin nicht mehr sehen konnte.

Im Wesentlichen erlebte Bienchen natürlich das, was ich in der Geschichte "Mein Hundesohn Robin" beschreibe.  Und auch das Viele, das ich nicht erzähle, erlebte sie selbstverständlich genau wie er - nur natürlich aus ihrer Sicht. Von Natur aus ist sie ein sanftes Wesen, aber die Ausbildung durch Robin hat sie ein wenig krawallig werden lassen. Wenn ihr was nicht passt, muss sie das

sofort zum Ausdruck bringen.

Es gibt auch Gegensätze zu Robin: Er hat sich die einjährige Augen-Behandlung durch seine Tierärztin und mich tapfer gefallen lassen. Vermutlich mochte seine Tierärztin ihn deshalb so gerne.

 Das ist bei Bienchen anders:

Sie lässt sich kaum die Augen säubern. Dann beißt sie sogar in meine Hand (kurz danach tuckelt sie mir vertrauensvoll wieder hinterher), allerdings ohne, dass es weh tut. Manches ist nur mit einem bisschen Druck möglich. Niemals würde ich ihr viertelstündlich - wie anfangs wochenlang bei Robin - Salben ins Auge tröpfeln dürfen. Niemals wäre das möglich, ohne dass wir an unser beider Grenzen stoßen würden.


Nach Robins Tod

Stets hat Bienchen mehr an Robin gehangen als es umgekehrt der Fall war. Robin hat sie akzeptiert, sie in Notfällen (aus seiner Sicht) auch verteidigt,

aber wäre sie vor ihm über den Regenbogen gegangen, er hätte sie nicht vermisst. Da bin ich sicher ... da war ich sicher ... bis

ich bemerken musste, dass Bienchen nach Robins Tod richtig aufgeblüht ist, obwohl ich fest damit gerechnet hatte, dass sie ihr altes Köpfchen traurig hängen lässt.

Sogar ihr immer wiederkehrender Durchfall (ich war deshalb mehrfach ergebnislos beim Tierarzt) ist seitdem Geschichte.

Mit ihren nun 16 Jahren und fast genau 9 Monaten (am 13. Juli 2020) ist sie munter und fit. Natürlich gemäß ihrem eigenen Temperament, das ja nie so überschäumend war wie das von Robin. Sie ist eben eine

kleine Malteserin,

die beste, die ich bekommen konnte, die niedlichste und starrköpfigste.

Sie soll bitte noch lange bei mir bleiben. Da darf meine Mutter gerne noch so sehr auf Bienchen warten - ich musste schließlich auch auf ein Wiedersehen mit meiner Mutter lange warten ...


ENDE
Copyright Silvia Gehrmann


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