Annette
Die Welt hätte reicher sein können, weil es Annette gab.
Doch sie wurde ärmer, dunkler und tränenreich für alle Menschen, die sie liebten.
Ich kannte sie kaum, doch viel von ihr gehört hatte ich bereits, bevor ich sie das erste und einzige Mal traf.
Aus ziemlich allernächster Nähe haben wir später über menschliche Abgründe gehört, ohne Annette je besser kennen gelernt zu haben. Wir wollten jedoch nie urteilen.
Wir werden Annette und ihre kleinen Töchter niemals vergessen - und ich werde hier verständlicherweise nicht alles preisgeben, das mir bekannt ist,
sondern nur das, was am Rande geschehen ist.
Sie war keine Freundin von mir, sondern die Freundin einer Freundin und eine Bekannte meines Mannes,
der damals Musik machte.
Er hatte mit einem ziemlich bekannten Sänger in direkter Nähe zu tun, aber der Name desjenigen spielt hier keine Rolle,
denn er war auch derjenige, den Annette von Herzen verehrte - und dem sie folgte. Nicht wie eine Stalkerin,
sondern wie eine von vielen.
Mein Mann hatte beruflich (und viele, viele Stufen unter ihm) mit dem Superstar zu tun, und daher kannte er Annette.
Vermutlich hätte sie diesen prominenten Mann gerne für sich gehabt, vielleicht hat sie ihn sogar kurzfristig "gehabt", und, was später folgte,
hat auch ihn erreicht und erschüttert.
Dafür achte ich ihn.
Die Einladung
Eine Freundin brachte sie mit zu uns nach Hause.
Annette wurde von einem ihrer beiden kleinen Mädchen begleitet. Das andere war derweil beim Vater oder bei ihren Eltern oder ihrer Schwester.
Mutter und Kind liebten einander ohne Ende - das sah man beiden an und spürte es in jeder Minute. Das Kind, damals vielleicht sechs oder sieben Jahre alt (ich habe es vergessen), hing an ihr wie jedes Wesen an der guten Hoffnung für die Zukunft hängt.
Überdies war ihr Kind sehr angenehm.
Das sind nicht alle Kinder, denn viele nerven nur, wenn Erwachsene zusammen glucken und sich um ihre Themen kümmern. Nun ja, dann nerven die Erwachsenen vermutlich auch die Kinder.
"Auf diesem Klo wird jeder froh"
Niemals werde ich diesen Spruch, geschrieben von Annette in unser Gästebuch, vergessen.
In der Tat hatten wir unser Badezimmer ziemlich hübsch und wohnlich hergerichtet.
Wir haben zwar nicht verstanden, warum sie zu dem Eintrag ein Bild malte,
auf dem zwei Hände (hilflos?!!!) aus dem Klo ragten, aber weiter ernst nahmen wir das auch nicht.
Ein Gag eben, irgendwas Lustiges.
Denn es war ein ausgesprochen schöner Abend mit nur ein paar Gästen. Es gab Häppchen und viel Spaß.
So dachten wir. So war es an diesem Abend auch.
Dass sich Böses anbahnte, hätten wir im Leben nicht vermutet.
Doch es kam so traurig wie ich es niemals zuvor und auch danach nicht erlebt habe. - Nicht an diesem Abend. Und all das hatte auch nichts mit diesem Abend zu tun.
Den Ursprung und das Motiv kennen wir überhaupt nicht.
Hätten wir nur eine kleine Ahnung gehabt
... viele Menschen hätten versucht, es zu verhindern.
Zumindest für Annettes zwei Töchter, von denen ich diese eine, die Süße, kannte.
Finale
Es geschah am darauf folgenden Silvester/Neujahr.
Viele Leute kennen diese Geschichte.
Und niemand verstand sie damals - oder bis heute.
Nur die Bildzeitung hatte eine Erklärung parat.
Über diese Erklärung sehe ich jetzt mal hinweg, denn sie war so oberflächlich wie man irgendwas nur beurteilen kann.
Annette hat ihre zwei Töchter mit Schlafmitteln getötet.
Im Anschluss daran hat sie sich erhängt.
Es geschieht immer wieder.
Ich kannte Annette nicht gut genug, und ich kann daher nichts weiter berichten, als das, den oberflächlichen Tatsachen einen kleinen Raum zu geben.
Weder Annette noch ihre mir bekannte und die mir unbekannte Tochter habe ich jemals vergessen.
Es geschieht immer wieder ...
Guten Tag, Gruß Silvia
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen