Samstag, 14. April 2018

14. April 2018 - Alternative Fakten: Restaurant-Kritik über "Das Windei-Schatten-Nest"

Restaurant-Kritik über

Das Windei-Schatten-Nest

Ein Besuch in diesem Restaurant ist immer wieder eine große Freude für mich, und den Weg durch die Geisterbahn nehme ich dafür gerne in Kauf. Drum herum fahren würde viel zu lange dauern und wäre nicht einmal halb so spannend.

Reservierungen sind möglich, müssen aber nicht sein, denn noch ist dieses Schmuckstück der Gastronomie-Szene ein Geheimtipp (natürlich nicht mehr nach dieser Kritik) und wir Insider wissen auch um die

freie Stuhlwahl.

Die Stühle stehen, hängen oder liegen vor dem Eingang und jeder nimmt sich den, der ihm gefällt. Es gibt bereits Leute, die ihren "Stammstuhl" eher reservieren lassen als einen Platz im Laden überhaupt.

Kellner-Dienste stehen in zehn Sprachen zur Verfügung - und man wählt sich eben die Tonart aus, die einem gefällt. Ich nehme gern mal einen italienisch sprechenden Kellner - zwar spreche und verstehe ich die Sprache nicht, aber das rundet die Spannung beim Restaurant-Besuch durchaus ins Absurde ab.

Die Inneneinrichtung erinnert an einen alten Horror-Film, aber ängstigen muss sich hier nur ein Angsthase. Steif und fest behaupten die Inhaber, dass der Dritte Mann und Dracula schon mal hier gespeist haben, und ob das wahr ist oder nicht - man kann beinahe vermuten, dass es stimmt.

Kaum hat man Platz genommen, kommt der ausgewählte Kellner mit dem Aperitif: Der letzte Schrei ist seit kurzem

Muttermilch mit einem Schüsschen Rum. Am Nebentisch übergibt sich gerade jemand - aber das gehört zum Event des "Windei-Schatten-Nestes" und kommt an jedem Tag vor.

Die Spezialität des Hauses, das Windei - präsentiert sich als leerer Teller und ist nur philosophisch zu verstehen. Darüber darf sich nun jeder seine eigenen Gedanken machen.

Leute mit sehr empfindlichen Magen kommen gern in der vor-österlichen Fastenzeit: Dann werden keine Experimente gemacht, sondern es wird ausschließlich stilles Wasser serviert, kein Fleisch, kein Fisch, nur Wasser. Das ist dann mit 30 Euro pro Person und Abend eine kostengünstige Angelegenheit.

Ein Highlight in der Weihnachtszeit ist das fröhliche Gänseschlachten der Gäste: Auch während dieses Aktes kippt der eine oder andere aus den Latschen, während die restlichen Gäste ihre Freude sowohl am Schlachten als auch an den Memmen haben, die dies nicht fertig bringen.

Allergiker sind ebenfalls herzlich willkommen - es wird zwar in keiner Beziehung Rücksicht auf sie genommen,

aber ein abgehalfterter Arzt, der in keinem Krankenhaus mehr einen Job bekommt, steht jederzeit bereit. Doch keine Sorge, falls der Arzt mal wegen übermäßigem Alkoholkonsum ausfällt:

Luftröhrenschnitte beherrschen sogar die Kellner aus dem Effeff.

Als ultimatives Highlight gilt der Gesang eines der Inhaber: Das klingt in etwa so wie das Heulen eines Kojoten, nur nicht ganz so melodisch.

Die Rechnung fällt am Ende entsprechend der Angebote - außer in der Fastenzeit - relativ hoch aus, denn unter 277,66 Euro kommt hier niemand raus, einfach weil niemand an dem muskulösen Geldeintreiber am Ausgang vorbei schrammen kann -

dennoch lohnt ein Besuch der extraordinären Art allemal. Davon kann man ewig zehren.

Zwar bin ich beim Gänseschlachten auf der Seite der Memmen, aber in der Fastenzeit bin ich die erste, die sich einen Stuhl kapert und High-Life mit stillem Wasser zelebriert. Da geht die Post ab, das glaubt man nicht ...


Guten Tag, Gruß Silvia



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