Sonntag, 31. Mai 2020

31. Mai 2020 - Bienchens Geschichte - 16. Teil

Die Bestattung

meiner Mutter fand in Koblenz nach ihrer Einäscherung statt. Ich weiß gar nicht, ob ihr eine Einäscherung recht gewesen wäre, denn mein Vater wurde von ihr damals, natürlich über ein Bestattungs-Unternehmen,  in einem Sarg beerdigt. Aber ich habe für sie die Entscheidung getroffen, die ich

auch für mich und für irgendwann vorgesehen habe:

Eine Friedwald-Bestattung.

Oft denke ich: Welch weiten Weg sie von Allenstein zurück gelegt hatte, um in Koblenz die ewige Ruhe zu finden.

Die Mosel ist zwar eine schöne Ecke in Deutschland, aber meines Erachtens nach lediglich für einen kurzen Aufenthalt wirklich interessant. Die Region ist ansonsten nicht der Raum, in dem ich leben wollte. Und ich denke, im Gegensatz zu Dortmund, ist Christel an der Mosel nie heimisch geworden.

  (Meine Eltern sind dort hingezogen, weil mein Vater u. a. an einem Lungenemphysem litt - und dort an der Mosel einfach besser atmen konnte. Das Emphysem entstand durch seine Arbeit als Dachdecker mit dem damals als unbedenklich eingestuften Asbest.)

Ein Großstadt-Gefühl wird man nie wieder los. Das gilt sicherlich auch andersherum für ländliche Gegenden.

Wären meine Eltern vor vielen Jahren nicht von Dortmund an die Mosel gezogen ... es hätte mir besser gefallen, Christel in Dortmund zu beerdigen. Auf diese Idee kam ich damals allerdings gar nicht, sonst hätte ich sie dorthin überführen lassen.

Ich war schicht und einfach von ihrem Tod überrumpelt, auch, wenn er für mich nicht so überraschend kam wie er vermutlich für ihre Ärztin war,

die ihren "Vital-Zustand" genau 12 Stunden vor ihrem Tod noch als "stabil" bezeichnet hatte.

Irren ist menschlich. Und Menschen reagieren auf Irrtümer nach ihrem ur-eigenen Schicksal.


Nach Mamas Tod

Ich war noch in der akuten Trauerphase, als in Duisburg etwas geschah, was vieles andere in den Schatten stellte.

Meine Mutter hatte ein oft (nicht immer natürlich, siehe meine vorherigen Erzählungen über sie) gutes Leben gehabt. Das war ihre Aussage. Außerdem war es ihrer Meinung nach auch lang genug gewesen. Für mich bedeutete es, dass sie sich mit ihrem Tod nicht nur abgefunden, sondern auch versöhnt hatte.

Vielleicht sehnte sich ihre Seele auch nach einem immer währenden Frieden?

Mir fehlt sie. Kaum hatten wir uns wiedergefunden, verließ sie mich wieder, und diesmal für immer, unwiderbringlich.

Viel, viel jünger waren alle 21 Todesopfer, die am 24. Juli 2010 in Duisburg infolge der Love Parade starben.


Der Tag der Love-Parade und jener danach ...

Weder durften wir mit dem Auto unseren Stadtbereich verlassen, noch fuhren Busse in der Nähe ab. Mein Mann arbeitete an diesem Tag und hatte seinen Wagen am Tag zuvor in weiterer Entfernung geparkt. Er fuhr mit dem Fahrrad zu seinem Auto.

In der Innenstadt war bereits am frühen Morgen alles abgeriegelt, um den zu erwartenden Strom der Besucher einen langen Weg bis zum Veranstaltungs-Gelände zu schleusen.

Der nahe Park war ebenfalls zum Teil abgesperrt. Er wäre eine Abkürzung gewesen.

Im Nachhinein kann man vieles erklären, aber auch im Vorfeld war der Zugang zum Fest-Gelände jedem bedenklich erschienen, der ihn kannte:

Durch diesen Tunnel mussten alle Ankommenden, aber auch die, die das Festgelände wieder verlassen wollten.

Es hätte einen besseren und kürzeren Weg gegeben:

Dafür hätte man die A 59 teilweise sperren müssen ... dann hätten die Leute auch nicht durch diese Unterführung der Karl-Lehr-Brücke gemusst.

Ich weiß von einem Sicherheitsdienst, der es abgelehnt haben soll, hier die Verantwortung tragen zu wollen  ...

Ein "Chaos-Forscher" der Universität-Gesamthochschule-Duisburg fand den Zugangsweg unbedenklich.

Als ich am Nachmittag dieses von der Temperatur her heißen Tages mit Robin und Bienchen in unserem Park war, sah ich riesige Menschenmassen, die durch die Straßen ihrem Ziel entgegen liefen, eskortiert von der Polizei.

Diese bat in permanenten Durchsagen darum, langsam zu gehen.

Vermutlich war zu dieser Zeit der Tunnel bereits hoffnungslos überfüllt. Auf späteren, auch Zeitungs- Fotos ist erkennbar, was vielleicht auch jeder schon an meinem Foto von dem leeren Tunnel sieht:

Man musste nicht unter Panikattacken leiden, um hier panisch werden zu können.

Es wurde einer der traurigsten Tage der Stadt-Geschichte.


Fortsetzung folgt
Copyright Silvia Gehrmann

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen