Samstag, 30. Mai 2020

30. Mai 2020 - Bienchens Geschichte - 15. Teil


Nachdenken ...

Denn zunächst einmal ging ich davon aus, dass meine Mutter irgendwann in der nächsten Zeit aus dem Krankenhaus entlassen werden würde -

und nun wollte sie sehnlichst ihr Bienchen wieder sehen.

Das musste organisiert werden.

Zwischen meiner Mutter und mir und ihrem Bienchen lagen etwa 300 Kilometer. Also konnte ich nicht mal so ad hock das Bienchen an ihr  Krankenbett bringen.

Und da es Juli war, würde es auch mit Hotel-Reservierungen nicht einfach sein ...

Ich nahm mir vor, an einem Tag hinzureisen, und erst am nächsten nach einem 2. Besuch zurück zu reisen.

Die halbe Nacht machte ich mir Gedanken, wie es zu bewerkstelligen sein, zeitnah nach Trier zu fahren, mit Bienchen als wichtigem Gepäck.

Am frühen Morgen konnte ich alles wieder aus meinem Kopf streichen ... aus der Klinik erreichte mich um 8.00 Uhr am 19. Juli 2010 der

Anruf, dass meine Mutter um 3 Uhr in der Nacht verstorben war.

Nun mussten meine Pläne in eine völlig andere Richtung gehen ... Christel musste beerdigt werden. Ihr Haushalt musste aufgelöst werden. Ich musste mir einen

Erbschein besorgen.

Einen Erbschein benötigt man nicht allein aus dem Grund, Werte zu erben, sondern auch im Sinne der Verstorbenen Entscheidungen treffen zu dürfen.


Mit Hunden kann man keine klärenden Gespräche führen

Ich schnappte mir erst einmal Robin und Bienchen und fuhr mit beiden zum Wald. Dort wollte ich durchatmen und trauern.

Mir war klar, dass meine Mutter das allerwichtigste in ihren letzten Lebenstagen geregelt hatte: Sie hatte Bienchen bei mir untergebracht. Das ließ sie sicher ruhig einschlafen.

Ich dachte an sie wie man an seine Mutter denkt, die einem manchen Schmerz bereitet hatte (ich ihr sicher noch viel mehr) , aber am Ende unendlich fehlen würde. Jeder hat nur eine Mutter - sie ist unersetzlich und nicht

entbehrlich.

Aber wie kann man einem Hund, der immer noch um sein Frauchen trauerte, beibringen, dass dieses nie wiederkommt,

dass es sie nicht schnöde und grundlos verlassen hatte ...?

Das geht überhaupt nicht. Bienchen tat mir unendlich leid. Obwohl sie sich bereits ein wenig an mich gewöhnt hatte,

würde sie mich sofort und unverzüglich und sang- und klanglos hinter sich gelassen haben, wenn meine Mutter wieder käme.

Ihre Trauerzeit war nicht vorbei. Im Nachhinein denke ich, dass es etwa ein halbes Jahr dauerte bis sie mich als "Ersatz" vollkommen akzeptierte.

Heute bin ich ihr Herzblatt, soviel steht fest - damals war ich lediglich auf dem ehrgeizigen Weg,

ihr Herzblatt zu werden.


Die unangenehmen Dinge

... die man nach einem Todesfall erledigen muss, konnten nicht warten. Eigentlich braucht man Zeit zur Besinnung, zum Andenken an den Verstorbenen und zum Trauern - in Wirklichkeit muss man sich um viele Dinge kümmern, die gleichzeitig so banal wie auch notwendig sind.

In Trier fand ich ein Beerdigungs-Institut, das ausschließlich von Frauen geführt wurde, und der erste Eindruck täuschte am Ende nicht:

Sie haben alles bestens und in meinem Sinne getan, was nötig war ... ohne, dass ich persönlich bei ihnen vorbei kommen musste.

Mehr noch: Sie haben mir am Ende mehr geholfen, als es der Beamte vom Amtsgericht tat, bei dem ich den Erbschein beantragen musste.

Immerhin war meine Mutter der erste Mensch, dessen letzten Weg ich allein gestalten musste - mitsamt allem, was sonst noch daran hing.

Im übrigen musste ich etwa 6 Wochen auf den Termin bei diesem Beamten vom Amtsgericht warten. Er war angeblich gerade im Urlaub ...

Seltsamer Weise ist der Mann wohl oft verreist, denn später hat jemand anderer aus meiner Bekanntschaft genau dieselbe Erfahrung mit dem Amtsgericht Duisburg gemacht.

Zu diesem Erbschein erzähle ich später mehr.

Für mein schönstes Erbe brauchte ich zum Glück keinen besonderen Schein:

Mein Bienchen war ohne weitere Formalitäten in meinen "Besitz" übergangen ... Halt, eher war ich in ihren Besitz übergegangen.

Mamas größtes Geschenk an mich.

Fortsetzung folgt
Copyright Silvia Gehrmann


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