Donnerstag, 4. Juni 2020

4. Juni 2020 - Kurzgeschichte "Louises Geheimnis" Teil 2


Teil 2 der Kurzgeschichte
Louises Geheimnis

In den nächsten Wochen blühte Louise förmlich auf. Sie fühlte sich tatsächlich noch einmal ziemlich jung. Die Arbeit in der Hotelküche machte ihr Spaß, und die Gäste, mit denen sie Kontakt hatte, waren überwiegend freundlich. Über einige wenige, die ohnehin das Meckern abonniert hatten, konnte sie getrost hinweg sehen. Es gab Schlimmeres.

Und es gab Schöneres:

Nach langen Jahren ihrer doch nicht ganz freiwillig gewählten Einsamkeit, bahnte sich hier in diesem Hotel eine Freundschaft an:

Celia war für den Hotelbetrieb eine Art "Frau für alle Fälle": sie kontaktierte Kunden, bestätigte Buchungen, überwachte den Gesamtbetrieb, und ganz nebenbei war sie auch noch mit der Buchhaltung beschäftigt. Es war eben ein kleiner Laden,

kein riesiges Haus.

Louise begegnete Celia gleich am ersten Tag, und die junge Frau, sie war 37 Jahre alt, nahm ihr die Nervosität vor dem erneuten Arbeitseinsatz nach so vielen Jahren. Denn Louise hatte plötzlich das Gefühl, sie würde vor lauter Aufregung Fehler machen.

Die beiden Frauen verband ebenfalls ein gemeinsames Gefühl:

Heimweh!

Celia hatte Heimweh nach ihrer italienischen Heimat.

Louises Heimweh galt etwas anderem ... sie wollte es sich selber aber niemals und in Worte ausgedrückt eingestehen. Selbst diese Worte zu denken, verbat sie sich. Doch, wenn sie es recht überlegte, galt auch ihre Sehnsucht einem fernen Land ...  und war ebenfalls unter dem Begriff "Heimweh" richtig aufgehoben.

Vielleicht einte das die beiden Frauen, ohne dass sie es je zum gemeinsamen Thema machten.

Celia sprach manchmal über ihre Sehnsucht nach Italien, von ihren Eltern, Geschwistern und auch von ihrer Liebe zu Mario, der nun mit einer anderen verheiratet war.

Was die Lebensjahre anging, waren die beiden Frauen zwar weit voneinander entfernt,

aber das beeinträchtigte die aufkeimende Freundschaft in keiner Weise.

Sie trafen sich manchmal nach Celias Dienstschluss auf einen Kaffee in einem Cafe, in der Weihnachtszeit besuchten sie auf ein paar Tassen Glühwein den Markt und tauschten ihre Gedanken aus.

Natürlich musste Louise sich ein wenig zurück halten. Ihr Geheimnis durfte sie leider nicht preisgeben ...

es würde nur helfen, wenn es ein ihr nahe stehender Mensch rein zufällig herausfand.

Das war bisher nie passiert. Louise hatte die Hoffnung darauf bereits aufgegeben, und sie genoss einfach die neue Arbeit und vor allem

die freie Zeit, die sie mit Celia verbringen durfte.

Nur manchmal war Louise sehr müde, fühlte sich ausgelaugt und wollte endlich ankommen ...

Fortsetzung folgt
Copyright Silvia Gehrmann



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